Kämpfst du mit deiner mentalen Gesundheit?

Interview mit Selma Uugwanga

Die meisten Menschen wissen, wie sie ihre körperliche Gesundheit fördern können, aber was ist mit der mentalen Gesundheit? Viele von uns sind in der Lage, mit Stress und Herausforderungen umzugehen, aber was tun wir, wenn alles zu viel wird?

Wir sprechen nicht viel über psychische Gesundheit, dabei ist sie extrem wichtig für unser allgemeines Wohlbefinden. Deshalb haben wir uns beim Mittagessen mit Selma Uugwanga von unserer Church Location in Zürich unterhalten, sie ist Doktorandin der Psychologie an der Universität Zürich. Selma erzählt uns, was psychische Gesundheit ist, wie wir unsere Abwehrkräfte stärken können und wann es gut ist, sich Hilfe zu holen.

Die psychische Gesundheit hat einen grossen Einfluss auf unser allgemeines Wohlbefinden. Kannst du zunächst erklären, was psychische Gesundheit ist?

Die Weltgesundheitsorganisation definiert psychische Gesundheit als «einen Zustand des psychischen Wohlbefindens. Dieser ermöglicht es den Menschen, die Belastungen des Lebens zu bewältigen, ihre Fähigkeiten zu erkennen, gut zu lernen und zu arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft zu leisten.» Das bedeutet, dass unser grundlegendes menschliches Funktionieren nicht nur von unserer körperlichen Gesundheit abhängt, sondern auch psychische Gesundheit erfordert. Der Körper ist ständiger Abnutzung, Giftstoffen und natürlichen Einflüssen ausgesetzt, denen wir durch gesunde Ernährung, Bewegung und regelmässige Gesundheitsuntersuchungen vorbeugen sollen. Ebenso kann unsere psychische Gesundheit durch alltägliche Stressfaktoren und Lebensereignisse beeinträchtigt werden, mit denen wir proaktiv umgehen müssen, damit wir ganzheitlich gesunde Menschen bleiben.

Jede zweite Person in der Schweiz leidet irgendwann in ihrem Leben an einer psychischen Erkrankung. Doch wann werden anspruchsvolle Lebensumstände, andauernde Stresssituationen oder ständige Überforderungen so gross, dass wir psychisch darunter leiden?

Diese Frage stellen sich viele, ich kann sie mit einem Bild erklären. Unser Verhalten und unsere Emotionen signalisieren uns oft, was wirklich in uns vorgeht. So wie eine Beule am Körper ein Zeichen für ein inneres Geschwür sein kann, das vielleicht behandelt werden muss. Ein guter Schritt ist, sich Zeit zu nehmen, um über sich selbst nachzudenken. Hier sind einige gute Fragen, die du dir stellen und über die du mit Gott sprechen kannst:

  • Was beschäftigt deine Gedanken in letzter Zeit: Hast du das Gefühl, dass deine Gedanken bei einem bestimmten Thema, einer bestimmten Person oder an einem bestimmten Ort feststecken?
  • Wie ist dein emotionales Klima in letzter Zeit: Bist du vielleicht leichter reizbar, traurig, beleidigt oder wütend als früher?
  • Veränderungen im Konsumverhalten: Trinkst du vielleicht mehr Kaffee oder Alkohol oder rauchst du mehr als sonst? Isst du vielleicht mehr oder weniger als sonst? Dies könnte auf Selbstmedikationsversuche oder ungünstige Bewältigungsstrategien hindeuten.
  • Bist du noch zufrieden mit deinen normalen Hobbys und sozialen Aktivitäten oder hast du die Lust verloren, dein Leben zu geniessen?

Grössere Veränderungen in den oben genannten Bereichen könnten darauf hinweisen, dass du psychisch beeinträchtigt bist. Wenn du dir diese Fragen stellst, kannst du das herausfinden und weitere Schritte zur Verbesserung deines mentalen Wohlbefindens unternehmen.

Manchmal verlangt das Leben uns viel ab, auch wenn wir darauf vertrauen, dass Gott uns durch das Leben begleitet und für uns sorgt. Ist es okay, als Christ zu sagen: Mir geht es NICHT gut, ich bin NICHT OK?

Als Menschen sind wir mit Gedanken und Gefühlen geschaffen, die unser Verhalten bestimmen. Wenn uns also etwas Schwieriges widerfährt, ist es völlig normal, darauf mit einer Emotion zu reagieren. Beispielsweise mit Traurigkeit, wenn wir von Menschen enttäuscht sind, oder mit Wut, wenn bei der Arbeit etwas schiefläuft. Das macht uns nicht «weniger christlich», es macht uns einfach menschlich. Bei dieser ersten Reaktion sollten wir jedoch nicht bleiben.

Was sollen wir also tun, wenn die Berge immer grösser werden und wir uns überfordert fühlen?

Mein Rat ist erstens, das eigene emotionale Klima zu erkennen und sich sofort damit auseinanderzusetzen. Warte nicht zu lange (lacht), das habe ich auch schon getan, und es hat nicht geholfen. Emotionen können uns dazu bringen, Dinge zu sagen und uns auf eine Art und Weise zu verhalten, die dem widerspricht, was wir sind. Gib dir etwas Zeit, um deine Gefühle zu verarbeiten und loszulassen (auf eine gesunde Art und Weise), und konzentriere deine ganze Aufmerksamkeit darauf – schon ein paar Minuten können einen grossen Unterschied machen. Es hilft nicht, zu leugnen, wie man sich wirklich fühlt, oder sich zu verkriechen – beides ist schädlich für unseren Körper und unseren Geist. Als Christ ist der beste erste Ort, um mit unseren Gefühlen umzugehen, unser Vater Gott :).

Kannst du ein Beispiel dafür geben, wie wir das tun können?

Psalm 55,23 ermutigt uns, unsere Last auf Gott zu werfen, damit er uns stärkt. Gott erwartet von uns, dass wir mit all unseren Sorgen und Lasten zu ihm laufen und sie zu seinen Füssen abladen. Sei Gott gegenüber verletzlich, er versteht es wirklich und kann mit allem umgehen – ja, sogar mit schwierigen Gefühlen wie Ärger. Vermeide es, Entscheidungen zu treffen oder zu versuchen, Probleme zu lösen, bevor du dir nicht etwas Zeit dafür genommen hast.

Überlass alle deine Sorgen dem Herrn! Er wird dich wieder aufrichten; niemals lässt er den scheitern, der treu zu ihm steht.

Psalm 55,23

Zweitens ist es sehr hilfreich, mit jemandem über das zu sprechen, was du gerade durchmachst, vor allem, wenn es viel von deiner Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch nimmt. Suche dir Hilfe bei professionellen Beratern, die dir bei der Bewältigung des Problems helfen und dir praktische Bewältigungsstrategien an die Hand geben. Dies kann zusätzlich zu Gesprächen mit deinem Unterstützungsnetzwerk geschehen.

Was auch immer du tust, leide nicht allein. Ich möchte dich ermutigen, das Schweigen zu brechen!

In unserem Leben werden wir öfters mit schwierigen Situationen konfrontiert. Wann ist es angebracht, Hilfe zu suchen?

Jedes Mal, wenn du das Gefühl hast, dass in deinem Leben etwas «nicht stimmt», ist ein guter Zeitpunkt, um Hilfe zu suchen, egal wie klein oder unbedeutend es scheint. Psychosoziale Dienste sind nicht nur für schwerwiegende Erlebnisse oder Krankheiten gedacht. Sie können ein sehr hilfreicher und unterstützender Ort sein, um mit alltäglichen Problemen umzugehen, die uns Sorgen und Ängste bereiten.

Wenn wir körperliche Schmerzen haben, suchen wir schnell einen Arzt auf. So sollte es auch sein, wenn wir emotionale und psychologische Schmerzen haben.

Bisher haben wir über uns selbst gesprochen, aber welche praktischen Möglichkeiten gibt es, andere Menschen zu unterstützen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben?

Wir können uns leicht von den Problemen anderer überfordert fühlen, wenn wir das Gefühl haben, dass wir nicht in der Lage sind, ihnen zu helfen. Wir fühlen uns ohnmächtig, wenn wir nicht die richtigen Worte oder Ratschläge haben, um das Problem zu lösen. Die Sache ist die, dass die Menschen nicht immer Antworten oder Ratschläge erwarten, sondern nur ein unterstützendes Ohr. Beispielsweise jemanden, der ihnen aufmerksam zuhört und ihre Erfahrungen oder Gefühle nicht abtut oder herunterspielt. Menschen suchen nach anderen, die bereit sind, mit ihnen durch ihren Schmerz zu gehen, sie auf ihrem Weg zur Genesung und Heilung zu begleiten.

Es ist immer hilfreich, sich vorzustellen, welche Art von Unterstützung du dir wünschen würdest, wenn du dasselbe Problem hättest. Biete diese dann an. Habe auch ein offenes Ohr für die Unterstützung, die jemand sucht. Wenn du das Gefühl hast, dass du nicht in der Lage bist, die gewünschte Unterstützung zu leisten, ist es in Ordnung, ehrlich zu sein. Hilf der Person, einen Ort oder eine Person zu finden, die ihr die benötigte Unterstützung bieten kann.

Danke, Selma, dass du deine Gedanken mit uns teilst und uns ermutigst, das Schweigen zu brechen, für uns selbst und für andere. Zum Schluss noch eine letzte Frage an dich: Was würdest du beten, wenn du selbst eine schmerzhafte Zeit durchmachen müsstest?

Nun, ich würde wohl etwa so beten: Vater, ich bin so dankbar, dass du alles weisst und alle Dinge siehst. Ich danke dir, dass ich meinen Schmerz nicht vor dir verstecken muss. Danke, dass du mich so annimmst, wie ich bin mit all dem Aufruhr, der in mir ist.

Vater, ich bin zerbrochen, ich bin verletzt und überwältigt. Ich habe nicht die Kraft, mit dem umzugehen, was ich gerade durchmache, ich kann nicht einmal klar sehen, was die Lösung sein könnte. Herr, ich übergebe dir meine Gefühle, meine Zerrissenheit und meine Verwirrung. Ich lege dir alles zu Füssen, Herr, damit du mir helfen kannst. Nimm mir meine Last ab, Herr, und gib mir deinen Frieden. Vater, auch wenn das alles nicht sofort gelöst werden kann, gib mir einen gesunden Verstand und ein friedliches Herz – damit ich wieder Vertrauen fassen und auf deine Führung warten kann, was ich als Nächstes tun soll.

Ich weiss, dass deine Kraft in meiner Schwachheit ganz besonders in mir wirkt (2. Korinther 12,9). Und du sagst, dass alle Dinge zum Guten derer wirken, die Gott lieben und nach seinem Willen berufen sind (Römer 8,28).

In Jesu Namen amen.

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